Liberty News - Was fordert Pensionskassen aktuell heraus?

Es sind die stetig zunehmende Regulierung, die schwierige Suche nach qualifizierten Fachleuten und die korrekte Umsetzung der Datenschutzbestimmungen in Bezug auf Cyber-Security. Das besagt die aktuelle IFZ-Studie Vorsorgeeinrichtungen.

Die neue IFZ-Studie «Vorsorgeeinrichtungen 2023» enthält erwartete und überraschende Erkenntnisse über aktuelle Herausforderungen und künftige Entwicklungen bei Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen. Im Gespräch mit Brigitte Succetti, Head Insurances & Collective Institutions bei UBS, liefert der Initiator der Studie, Prof. Florian Schreiber, interessante Erklärungen und Hintergründe zu den Resultaten.

Die Professoren Florian Schreiber, Karsten Döhnert und Yvonne Seiler Zimmermann vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern (IFZ) publizieren die IFZ-Studie Vorsorgeeinrichtungen jährlich seit 2021. Sie untersuchen ausschliesslich Kollektiveinrichtungen (Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen, SGE); das Schwerpunktthema wechselt jährlich und wird ergänzt durch aktualisierte Kennzahlen wie Deckungsgrad, Verzinsung, Umwandlungssatz, Asset Allocation oder Performance. Seit zwei Jahren analysieren die Autoren im Rahmen der Studie zudem zahlreiche Offerten von SGE an Broker, die für ihre Auftraggeber (KMU und Grossunternehmen) passende Vorsorgeanbieter suchen und evaluieren. Die Studienausgabe des Jahres 2023 legt den Schwerpunkt auf die aktuellen Herausforderungen und das Spannungsfeld zwischen Wachstum und finanzieller Stabilität.

Viele firmeneigene Pensionskassen müssen ihre Selbstständigkeit aufgeben

Viele firmeneigene Pensionskassen müssen nicht zuletzt wegen der zunehmenden Regulierung ihre Selbstständigkeit aufgeben, da sich die dafür notwendigen Ressourcen bei diesen Einrichtungen auf zu wenige Versicherte umlegen lassen, sodass keine Skaleneffekte realisiert werden können. Mit der zunehmenden Komplexität der Materie lässt sich die Aufgabe zudem kaum noch im Nebenamt bewältigen. Das Schweizer Milizsystem lässt sich nicht beliebig professionalisieren, was unter anderem auch die befragten Sammelstiftungen bei ihren Anschlüssen feststellten: Sie haben oft grosse Mühe, qualifizierte Arbeitnehmervertreter für den Stiftungsrat zu finden.

Dabei steht die Regulierung sowohl bei Sammeleinrichtungen (SE) als auch bei Gemeinschaftseinrichtungen (GE) an erster Stelle, wie Florian Schreiber weiss: Unter den GE ist der Schnitt mit 4,38 von 5 Punkten etwas höher als bei den SE mit einem Schnitt von 4,12. Im letzten Jahr lag der Durchschnitt bei 3,74 Punkten – die Thematik ist also für beide sehr dringlich.

Kleine SGE leiden am meisten

Signifikante Unterschiede gibt es bezüglich Grösse. Kleine SGE mit einer Bilanzsumme von weniger als 1 Milliarde haben die Regulierung mit einer durchschnittlichen Beurteilung von mehr als 4 am höchsten bewertet. Mittlere SGE (1–5 Milliarden) und grosse (über 6 Milliarden) betrachten die Regulierung hingegen nicht als grösste Herausforderung. Für mittlere SGE ist es der Fachkräftemangel, für die grossen steht die künftige Entwicklung der Finanzmärkte zuoberst, wie Florian Schreiber erklärt. 2023 empfanden alle Segmente die Situation an den Finanzmärkten als weniger herausfordernd als im Vorjahr (2023 ø 3,78 vs. 2022 ø 3,94). Er geht davon aus, dass SGE mit über 10 Milliarden Franken Anlagevermögen von Asset-Management-Dienstleistungen profitieren können und über spezialisierte Mitarbeitende verfügen – sie können demzufolge professioneller, effizienter und zielführender mit Finanzmarktrisiken umgehen.

Kunden sind anspruchsvoller geworden

Wachstum und finanzielle Stabilität sind für Vorsorgeeinrichtungen wichtig, wie Florian Schreiber weiter ausführt. Denn Gemeinschaftseinrichtungen müssen sich im Wettbewerb attraktiv positionieren können. Das bedingt Skaleneffekte und Synergien – und diese werden erst durch Grösse möglich, also durch Wachstum. Der Verdrängungswettbewerb innerhalb der SGE hat dafür gesorgt, dass die Kunden anspruchsvoller geworden sind. Diese Ansprüche zu erfüllen, kostet Zeit und Geld.

Dabei sollte Wachstum nie zulasten der finanziellen Stabilität gehen, wie Florian Schreiber betont. Dieser Zielkonflikt ist allerdings schwierig zu lösen, räumt er ein. Der Konkurrenzdruck könnte SGE in Versuchung führen, Kompromisse bei verschiedenen Leistungen einzugehen.

Die kritische Grösse für Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen liegt für Florian Schreiber bei rund 10 Milliarden Franken Anlagevermögen – wobei gemäss Pensionskassenstatistik nur 24 von 1389 Vorsorgeeinrichtungen diese Schwelle erreicht haben. Vielleicht geniesst Wachstum auch deshalb nicht unter allen SGE die höchste Priorität; für drei Viertel der mittelgrossen SGE hat Wachstum eine mittlere bis hohe Bedeutung, für keine einzige aber eine sehr hohe.

Worauf potenzielle Neuanschlüsse bei der Wahl einer SGE achten

In der Befragung haben sämtliche SGE-Segmente «Online-Schnittstellen für Arbeitgeber» als zweitwichtigstes Differenzierungsmerkmal für einen Neuanschluss genannt. Florian Schreiber sieht eine mögliche Erklärung darin, dass potenzielle Kunden spezifisch nach Online-Tools fragen, weshalb SGE diesen Aspekt so hoch gewichten.

Hinzu kommt wohl, dass es den meisten Vorsorgeeinrichtungen in einem schwierigen Börsenjahr schwerfällt, sich über ihre finanzielle Performance zu differenzieren: Der Regulator lässt wenig Spielraum bei den Anlagestrategien; zudem investieren SGE häufig in die gleichen passiven Fonds und erzielen folglich eine ähnliche Rendite. Aus der Innensicht werden deshalb Aspekte wie Online-Schnittstellen wichtig, um die Gestaltungsfreiheit für eine bessere Positionierung im Wettbewerb zu nutzen.

Broker spielen nach wie vor eine wichtige Rolle

Gut 37% der SGE setzen beim Neugeschäft ausschliesslich auf Vermittler. Rund 20% leisten sich hingegen eine eigene Vertriebsorganisation und rund ein Drittel nutzt beide Wege. Die Hälfte aller Neuanschlüsse der SGE wurde vermittelt. Die Broker sind also nicht nur wichtig, sondern haben auch viel Macht, wie Florian Schreiber feststellt. Und er fügt an: Sie konnten so mächtig werden, weil sie den SGE-Markt sehr gut kennen und für ihre Kunden eine wichtige Dienstleistung erbringen. Dafür kosten sie die beruflichen Vorsorgeeinrichtungen einiges an Vermittlungshonoraren und an Kommissionen.

Wie geht es den SGE in der Schweiz?

Wie Florian Schreiber erklärt, haben die gestiegenen Zinsen, die Inflation, der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Turbulenzen an den Finanzmärkten die meisten Vorsorgeeinrichtungen viel Geld gekostet. 2021 zum Beispiel lag der Deckungsgrad von 84% aller SGE zwischen 110% und 125%. Ende 2022 bewegte sich noch knapp die Hälfte innerhalb dieser Bandbreite. Und viele haben auch ihre Wertschwankungsreserven weitgehend aufgebraucht.

Einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen gibt es bezüglich Anlagerisiko, Performance und Deckungsgrad nicht. Dafür aber zwischen autonomen und teilautonomen Einrichtungen, sagt Florian Schreiber: Bei den Autonomen ist der Deckungsgrad signifikant höher, aber auch die Bandbreite der Schwankungen nach unten und oben. Das lässt sich für ihn nur bedingt darauf zurückführen, dass autonome Einrichtungen ein deutlich schlechteres Verhältnis zwischen Aktiven und Rentnern haben als teilautonome.